REICHHOLF JH (1981) Samenvattingen themadag Watervogels: Die Wasserv?gel im Okosystem der Innstausee. LIMOSA 54 (2): 69-69.
Eine Kette von Stauseen befindet sich am unteren Inn,
dem groBten NebenfluB der oberen Donau, im Grenzgebiet
zwischen Bayern und Osterreich etwa 150 km
ostlich von Miinchen. Sie wurden zwischen 1942 und
1960 errichtet und sind wegen der hohen Fracht an
Schwebstoffen weitgehend verlandet. In den einzelnen,
etwa 10 km2 groBen Staubecken hat sich ein
Gleichgewicht zwischen Verlandung und Abtragung
eingestellt, so daB sich ausgedehnte Flachwasserzonen,
Seitenbuchten und Inseln ausbilden konnten.
Diese Stauseen stellen einen der wichtigsten Konzentrationspunkte
fUr Wasservogel im nordlichen AIpenvorland
dar. Zu den Zugzeiten konnen sich bis
iiber 20% aller in Bayern oder Osterreich zu den Terminen
der Internationalen Wasservogelzahlungen erfaBten
Schwimmvogel an den Innstauseen befinden.
Die Hochstwerte erreichen im Spatherbst etwa 30000
Individuen, wahrend des Friihjahrszuges etwa 20000
Individuen. Die Hauptmenge stellen die Enten. Auch
als Brutgebiet haben die Innstauseen mit Kolonien von
Nachtreiher Nycticorax nycticorax, FIuBseeschwalbe
Sterna hirundo und Arten, wie Beutelmeise Remiz
pendulinus, Schlagschwirl Locustella fluviatilis,
Kolbenente Netta rufina oder' BlaukehIchen Luscinia
svecica Bedeutung. Mit insgesamt rnehr als 280 festgestellten
Vogelarten zahlen sie zu den artenreichsten Gebieten in Mitteleuropa. In den ausgedehnten Auenwiildern
wurden erfolgreich Biber Castor fiber wieder
eingebiirgert.
1m Rahmen einer Okosystemforschung wurde versucht,
die Ursachen fUr Verteilung und Haufigkeit der
Wasservogel zu ermitteln. Das Angebot an Nahrung
erreicht mit 1.25 kg/m2 Biomasse an Macro-invertebraten
oder Wasserpflanzen im August-September
den Hochstwert. Bis zum Winter wird es von den Wasservogeln
mehr oder weniger stark genutzt.
Das AusmaB der Nutzung ist abhangig von Storungen,
insbesondere von der Bejagung. Nicht bejagte
Buchten oder Abschnitte in den Stauseen weisen einen
hohen Nutzungsgrad von iiber 90% der "Standing
Crop", bezogen auf den Hochstwert im September,
und keine Bildung von Faulschlamm auf. Bejagte dagegen
erreichen je nach AusmaB der Bejagung nur 1015%
Nutzung. Die UberschuBproduktion wird dadurch
ungeniigend verwertet und es kommt zur Bildung
von Faulschlamm. Die Bejagung der Wasservogel
greift daher ganz massiv in den Stoffkreislauf
dieser Stauseen ein. Ihr AusmaB bestimmt die Hohe
der Nutzungsgrades nicht durch direkten AbschuB,
sondern hauptsachlich durch die Vertreibung des Wasservogel,
die gerade wahrend des Herbstes stark zugdisponiert
sind.
1m Winter bestimmt das AusmaB der Vereisung die
Hohe derWasservogelbestande. Durch Traditionsbildung
kam es zur Bildung des groBten Sammelplatzes
fUr Schellenten Bucephala clangula im nordlichen Voralpenbereich
ostlich der Schweizer Seen (max. iiber
4000 Schellenten). Der Friihjahrsdurchzug verlauft -
von menschlichen Storungen wenig beeinfluBt - vorwiegend
in Abhangigkeit von der Witterung und Wasserfiihrung.
Zu beiden Zugzeiten kommt es zu groBen
Ansammlungen von Limikolen (fUr Binnenlandverhaltniss~).
Die Innstauseen sind der wichtigste Rastplatz
in' Mitteleuropa (abgesehen von den Kiistengebieten).
Die Brutbestande der Wasservogel unterliegen
ebenfalls in Verteilung und Menge stark den Einfliissen
des Menschen, insbesondere der Angler. Sie haben
freien Zugang auch zu den Naturschutzgebieten.
Aufgrund ihrer lang dauernden Anwesenheit vermindern
sie die Brutbestande ganz betrachtlich: in zwei
griindlich untersuchten Teilflachen urn 76-80%. Verdrangt
werden die seltenen Arten, wahrend sich Hockerschwan
Cygnus olor und BlaBhuhn Fulica atra als
storungstolerant erwiesen. Ihnen wird dann die Verdrangung
der anderen Wasservogel zur Last gelegt.
Langerfristig iiberlagern Auswirkungen von Veriandung
und Hochwasser diese Jahresdynamik. Hochwasser,
besonders wenn es spat im Jahre einsetzt, verringert
das Nahrungsangebot und zieht geringere
Schwimmvogelherbstbestande nach sich. Die Auswirkungen
von Hochwassern sind in der Regel nach zwei
Jahren ausgeglichen.
Durch die Verlandung verschiebt sich das Artenspektrum
der Wasservogel in charakteristischer Weise
von den Tauchenten (Aythyni) zu den Schwimmenten
(Anatini). Mit fortschreitender Stabilisierung nimmt
ingsgesamt die Menge der Wasservogel abo Gleichzeitig
verlagert sich der Schwerpunkt der Artenverteilung
zu den fischfressenden Arten (Reiher - Ardeidae, Taucher
- Podicipedidae und Gaviidae, Kormorane - Phalacrocoracidae).
Auch mit der zunehmenden Verbesserung
der Wasserqualitat (durch die Errichtung von
KIaranlagen) nahm die Menge der Wasservogel. abo
Sie signalisieren daher als Teilsystem aus diesem Okosystem
die Dynamik der Entwicklung. In der Phase
der Verlandung der Stauseen nehmen sie eine zentrale
Position im EnergiefluB und bei den biogenen Stoffumsetzungen
ein. Nach und nach geben sie diese
Funktion wieder weitgehend an die sich regenerierende
Fischfauna ab, die sie dann als Spitzenkonsumenten
nutzen.
Das Okosystem solcher FluBstauseen' erweist sich
als hochgradig dynamisch. Bei Konstruktionstypen,
wie sie an den Innstauseen verwirklicht wurden, kann
die Errichtung von Stauseen sogar in okologischer
Hinsicht giinstigere Effekte zeigen, als die Erhaltung
kanalisierter, aber ungestauter FluBabschnitte. Die
Innstauseen bieten ein Modell dafiir, wie Stauseen gemacht
werden konnen, ohne den Ausgangszustand zu
verschlechtern.
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